Fehlende Zukunftsperspektiven haben schon Auswirkungen auf die Gegenwart – Gewalt an Hauptschulen


cebel-13122000.jpg Kiel, den 06.04.06
Die Hauptschule ist schon lange nicht mehr, was sie einst war – eine Schule für bildungs- oder sozialschwache Kinder, für die jedoch die Chance auf einen Schulabschluss, eine Lehre und die Übernahme im Betrieb gesichert war. Heute versteht jeder, dass eine Empfehlung für die Hauptschule kein Grund zur Freude ist, denn der Hauptschulabschluss ist keine Garantie für eine sichere Zukunft. Die PISA-Studie hat das Problem der mangelnden Schulchancen für sozialschwache Kinder in Deutschland bemängelt und der UNO-Sonderbeauftrage Vernor Munoz hat diese Feststellung bestätigt.

Gewalt an Schulen ist nun das Resultat von diversen Faktoren. Hoffnungslosigkeit, mangelnde soziale und familiäre Stabilität, das Fehlen von soliden Vorbildern und die Verherrlichung von Gewalt im Fernsehen und in Computerspielen sind nur ein Teil der Ursachen. Viele erfahrene Pädagogen geben heute offen zu, dass die Situation an den Hauptschulen auch im Wesen der Schulgliederung im Schulsystem und das Zusammenkommen von nahezu alle Unterschichtskinder in einer Schulart liegt. Kinder lernen am besten von Altersgleichen. Dies trifft nicht nur für den durchzunehmenden Schulstoff zu, sondern auch was die soziale Erziehung angeht. Die Trennung der Schulkinder nach der 4. Klasse ist ohne Zweifel zu früh angesetzt bzw. heutzutage nicht länger zeitgemäß.

Die Strukturprobleme der Hauptschule und der Mangel an Ausbildungs- bzw. Arbeitsplätzenb betreffen alle Jugendlichen, die das dualen Ausbildungssystem durchschreiten. Die bekannten Probleme haben jedoch verhältnismäßig größere negative Auswirkungen auf die Zukunftsperspektiven von Migrantenkinder. Dass man diese Tatsache seit Jahren gewusst aber keine ausreichende Gegenmaßnahmen ergriffen hat, ist ein Armutszeugnis für das Bildungssystem, wenn nicht auch für die Integrationspolitik. Jede Beschönigung der Lage wurde durch stichhaltige Statistik über die Bildungswege von Migrantenkinder widerlegt.

Die Suche nach Lösungswegen ist angesagt. Wenn auch keine einfachen Antworten parat vorliegen, ist das Wegsehen keine Alternative. Die Androhung von verschärften Sanktionen und Kürzungsmaßnahmen fördern aber keine positiven Ergebnisse. Sie stören den für Schüler, Eltern, und Lehrer notwendigen Dialog. Um die Integration voranzutreiben, sind alle beteiligten Partner – die Politik, Wirtschaft, Schulen, Eltern usw. aufgefordert, einen positiven Beitrag zu leisten. Die Zusammenarbeit und gegenseitige Unterstützung muss verstärkt werden. Parolen über Abschiebung und dergleichen sind ebenso wenig konstruktiv wie die Kapitulation der Schulen und Eltern vor den Problemen ihrer Jugendlichen.

Die Wirtschaft soll sich ihrer sozialen Verantwortung für die heranwachsenden Arbeitskräfte von morgen nicht entziehen. Ein Bildungs- und Ausbildungspakt ist nach wie vor an der Tagesordnung.

Die TGS-H hat sich stets seit ihrer Gründung 1995 durch verschiedene Projekte den Bildungsproblemen von Migrantenjugendlichen gewidmet. Erfahrungen zeigen, dass die überwiegende Mehrzahl dieser Kinder nicht gewaltbereit sind, jedoch in ihrer hoffnungslosen Lage sich im Stich gelassen fühlen. Sie benötigen besondere Hilfe, um aus dem Teufelskreis von Isolation, Intoleranz und Frust herauszubrechen.





Dr. Cebel Kücükkaraca
Landesvorsitzender der TGS-H